Der weiße Hai
Der legendäre Weiße Hai ist in der Vorstellung vieler Menschen ein blutrünstiger, gnadenloser Killer. Von den jährlich rund 100 Angriffen auf Menschen entfallen etwa ein Drittel auf Weiße Haie. Die meisten von ihnen sind allerdings nicht tödlich. Neue Forschungen zeigen, dass es sich beim Zuschnappen um Testbisse handelt. Der Weiße Hai ist wählerisch und Menschen stehen nicht auf seiner Speisekarte.
Wissenswertes über Weiße Haie
Der Weiße Hai (Carcharodon carcharias) gehört zur Familie der Makrelenhaie. Er wird manchmal auch als Weißhai oder Menschenhai bezeichnet. Sein Name stammt von der auffälligen, weißen Färbung des Bauches. Der Körper weist eine perfekte Stromlinienform auf ähnlich einem Torpedo. Mithilfe seiner kräftigen Schwanzflosse bewegt sich ein Weißer Hai pfeilschnell und kann sogar vollständig aus dem Wasser springen. Mit einer Länge von durchschnittlich viereinhalb Metern und einem Gewicht von rund zwei Tonnen ist er der größte Raubfisch der Erde. Weibliche Tiere sind bedeutend größer und schwerer als die Männchen. Das beeindruckendste Exemplar, das jemals gefangen wurde, war knapp sieben Meter lang und wog drei Tonnen.
Weiße Haie sind in fast in allen Ozeanen der Welt zu Hause. Am häufigsten werden sie in Australien, im westlichen Nordatlantik, vor der Südküste Afrikas und im Mittelmeer beobachtet. Die Tiere sind oft in Küstennähe anzutreffen und halten sich sogar in Lagunen, Buchten oder Häfen auf. Weiße Haie sind hervorragend angepasste Raubtiere. Ihr riesiges Maul hat bis zu 300 scharfe, dreieckige Zähne, die in mehreren Reihen angeordnet sind. Fällt ein Zahn aus, wird er einfach durch einen anderen aus der dahinter liegenden Reihe ersetzt. Als Raubfisch ernährt sich der Weiße Haie von unterschiedlichen Beutetieren, die er aktiv jagt. Aas lehnt er ebenfalls nicht ab. Manchmal machen die Kadaver verendeter Großwale sogar einen Großteil seiner Nahrung aus. Junge Weißhaie jagen überwiegend kleinere Beutetiere wie Fische oder Rochen. Ausgewachsene Exemplare bevorzugen in der Regel Meeressäugetiere von Robben und Seelöwen bis zu kleinen Walen. Welches Alter ein Weißer Hai erreichen kann, ist nicht genau bekannt. Vermutet wird eine Lebenserwartung von 70 bis 80 Jahren.
Der Weiße Hai (Carcharodon carcharias) gehört zur Familie der Makrelenhaie. Foto: © Robert Haitkamp
Weiße Haie haben nicht nur einen sechsten, sondern sogar einen siebten Sinn
Der Weiße Hai benötigt zuverlässige Sinnesorgane, damit er seine Beute ohne Schwierigkeiten aufspüren kann. Im Laufe der Evolution haben sich sieben Sinne bewährt, die ihn zu einem wahren Meister der Jagd machen.
Gehör
Der Schall breitet sich im Wasser rund vier Mal schneller aus als in der Luft. Für Weiße Haie ist deshalb das Gehör der wichtigste Sinn, um eine potenzielle Beute aus großer Entfernung exakt zu orten. Sie nehmen dabei vor allem pulsierende, niederfrequente Schwingungen wahr, die von kranken oder verletzten Tieren ausgesendet werden.
Geruch
Der Geruchsinn eines Weißen Hais ist 10000 Mal besser als der des Menschen. Dadurch kann der Raubfisch seine Beute aus einer Distanz von mehreren Hundert Metern riechen.
Druckempfinden
Mithilfe des Seitenlinienorgans können die Haie zusätzlich Druckwellen identifizieren, die von anderen Tieren ausgesendet werden.
Sehen
Mit zunehmender Wassertiefe wird das Sonnenlicht immer stärker absorbiert. Das Farbspektrum nimmt ebenfalls kontinuierlich ab. Aus diesem Grunde verfügen Weiße Haie über Hochleistungssensoren, die das Licht im Auge verstärken. Sie können noch besser sehen als nachtaktive Säugetiere wie Katzen, Wölfe oder Füchse.
Neue wissenschaftliche Forschungsergebnisse zeigen, dass Haie mit großer Wahrscheinlichkeit farbenblind sind. Das ist für die Raubfische jedoch kein Nachteil, sondern sogar ein Vorteil. Laut Nathan Scott Hart von der University of Western Australia ist im Wasser der Kontrast eines Objektes gegenüber seiner Umgebung wesentlich wichtiger als die Farbe.
Elektrische Wahrnehmung
Jedes Lebewesen erzeugt elektrische Felder durch seinen Herzschlag oder die Bewegung der Muskeln. Der Weiße Hai ist in der Lage, die elektrischen Impulse von Beutetieren zu orten. Die Elektrosensoren werden Lorenzinische Ampullen genannt und befinden sich vor allem im Bereich des Kopfes und der Schnauze. Die elektrischen Felder sind relativ schwach, sodass sie nur aus einer Entfernung von weniger als 50 Zentimetern wahrgenommen werden können. Lorenzinische Ampullen findet man nicht nur bei allen Haiarten, sondern auch bei Rochen.
Tastsinn
Die gesamte Haihaut ist mit äußerst sensiblen Temperatur- und Drucksensoren ausgestattet. Dadurch können die Tiere Temperaturänderungen, Wasserströmungen und Berührungen spüren.
Geschmack
Der Weiße Hai verfügt über einen ausgezeichneten Geschmackssinn. Häufig unternimmt er zunächst einen Testbiss, um festzustellen, ob sich ein unbekanntes Opfer als Beute eignet. Fällt es bei dem Geschmackstest durch, verliert der Hai sein Interesse daran.
Der Weiße Hai benötigt zuverlässige Sinnesorgane. Foto: © Sascha Keil
Die Urangst des Menschen vor dem Weißen Hai
Nach Angaben von Forschern der Universität Florida erreichte die Zahl der weltweiten Haiattacken im Jahre 2015 einen neuen Rekord. Insgesamt gab es 98 unprovozierte Angriffe auf Menschen, von denen lediglich sechs tödlich endeten. Die meisten Haiangriffe wurden aus den USA gemeldet, gefolgt von Australien und Südafrika. Nach der fünften tödlichen Attacke im Jahre 2012 wurden Weiße Haie in Westaustralien zum Abschuss freigegeben. Stellen die Raubfische wirklich eine so große Gefahr für den Menschen dar oder handelt es sich bei dieser Maßnahme eher um einen übertriebenen Aktionismus? Laut Dr. Timo Moritz vom Deutschen Meeresmuseum Stralsund wird die Bedrohung durch Haie vollkommen übertrieben: „Es sterben mehr Menschen durch Wespenstiche oder weil ihnen eine Kokosnuss auf den Kopf fällt. Und es macht sich trotzdem niemand Gedanken, wenn er unter einer Kokospalme steht.“
Woher aber kommt die Furcht des Menschen vor Haien? Gerhard Wegner, einer der Mitgründer und Präsident von SHARKPROJECT International, ist der Überzeugung, dass die Urängste des Menschen auf Großhaie wie den Weißen Hai projiziert werden. Im Unterbewusstsein entsteht das Bild eines unbarmherzigen Killers mit rasiermesserscharfen Zähnen, der plötzlich aus der dunklen Tiefe des Ozeans auftaucht. Wegner ist sich sicher: „Darum funktioniert der Film Jaws (Der Weiße Hai) so gut. In den ersten Minuten ist ja noch nicht einmal ein Hai zu sehen.“
Warum werden Menschen von Haien angegriffen?
Eine gängige Theorie besagt, dass Haie Menschen attackieren, weil sie diese mit Beutetieren verwechseln. Immer wieder wird behauptet, ein Surfer mit Neoprenanzug würde von unten wie eine Robbe aussehen. Wenn man bedenkt, wie ausgeklügelt die Wahrnehmung eines Hais mit seinen sieben Sinnen funktioniert, ist eine einfache Verwechslung so gut wie ausgeschlossen. Der Experte Gerhard Wegner glaubt deshalb, dass ein Surfer aus der Sicht eines Weißen Hais nicht nur wie Beute aussieht, sondern sich auch so verhält. Die Paddelgeräusche, die er auf dem Surfbrett macht, klingen für den Raubfisch ähnlich wie die Bewegungen eines verletzten Fischs.
Plätschern kann die Aufmerksamkeit eines Weißen Hais erregen. Er ist neugierig und möchte herausfinden, um was es sich bei dem Surfer handelt. Deshalb stößt der Hai ihn zunächst mit seiner Schnauze an. Anschließend kommt es vor, dass er einen Testbiss durchführt, um festzustellen, ob die Beute genießbar ist. Dabei drückt er seinen empfindlichen Gaumen mit den Geschmacksknospen fest gegen das Opfer. Da ein Mensch nicht zu seiner Nahrung gehört, wird ein Weißer Hai in der Regel sofort von ihm ablassen. Der beste Ratschlag ist deshalb, sich bei einem Biss ruhig zu verhalten. Wenn man nicht versucht, den betroffenen Körperteil wegzureißen, wird man in den meisten Fällen mit minimalen Verletzungen davonkommen. Das ist sicher leichter gesagt als getan. Denn wer hält schon still, während sich das eigene Bein zwischen den Zähnen eines Furcht einflößenden Weißen Hais befindet?
Viele Menschen glauben, dass Blutstropfen im Wasser Haie anlocken und sie in rasende Berserker verwandeln. Es handelt sich dabei um eine der vielen Mythen, die sich besonders um Weiße Haie ranken. Sie können zwar Blut ausgezeichnet riechen und dadurch verletzte Tiere lokalisieren. An Menschenblut haben Haie jedoch überhaupt kein Interesse, wie bereits mehrfach wissenschaftlich nachgewiesen werden konnte.
Foto: © Robert Haitkamp
Anzahl der Haiangriffe weltweit von 2000 bis 2015
Anzahl der Haiangriffe | Gesamt | davon tödliche Angriffe | davon nicht-tödliche Angriffe |
---|---|---|---|
2015 | 98 | 6 | 92 |
2014 | 72 | 3 | 69 |
2013 | 76 | 10 | 66 |
2012 | 83 | 7 | 76 |
2011 | 79 | 13 | 66 |
2010 | 82 | 6 | 76 |
2009 | 68 | 7 | 61 |
2008 | 55 | 4 | 51 |
2007 | 70 | 1 | 69 |
2006 | 59 | 4 | 55 |
2005 | 58 | 4 | 54 |
2004 | 66 | 7 | 59 |
2003 | 56 | 4 | 52 |
2002 | 66 | 3 | 63 |
2001 | 76 | 4 | 72 |
Alle weiteren Informationen zur Statistik finden Sie auf Statista
Weißer Hai oder Mensch – wer bedroht eigentlich wen?
Jedes Jahr sterben zwischen fünf und fünfzehn Menschen an den Folgen eines Haiangriffs. Die Bilanz für den Hai fällt deutlich schlechter aus: Viele der großen Haiarten sind akut bedroht. In manchen Lebensräumen sind die Populationen um 95 Prozent zurückgegangen.
Ausgewachsene Weiße Haie stehen an der Spitze der Nahrungskette und haben so gut wie keine natürlichen Feinde. Gelegentlich werden sie von Schwertwalen oder anderen Großhaien beim Kampf um Nahrung angegriffen. Der größte Feind ist jedoch der Mensch. Obwohl Weiße Haie nicht kommerziell befischt werden, enden sie häufig als Beifang in den Netzen der Fischereiflotten. Im asiatischen Raum werden die Flossen für Haifischflossensuppe verwendet. Beim sogenannten Finning schneidet man den Tieren bei lebendigem Leib die Flossen ab. Anschließend werden die Haie ins Meer zurückgeworfen und verenden qualvoll. Trophäenjäger sind sich nicht zu schade, Weiße Haie nur wegen ihrer Zähne und Gebisse zu töten. Manche stopfen sogar die gefangenen Tiere aus und verkaufen sie meistbietend.
Aufgrund seiner späten Geschlechtsreife mit zehn bis vierzehn Jahren sowie der geringen Zahl an Nachkommen gilt der Weiße Hai als gefährdet. Genaue Zahlen über die Populationen existieren nicht. Schätzungen lassen jedoch vermuten, dass die Bestände im Nordatlantik um 60 bis 90 Prozent zurückgegangen sind. Einige Wissenschaftler befürchten, dass Weiße Haie in verschiedenen Regionen bereits biologisch ausgestorben sind. Die Raubfische werden in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN als gefährdet (vulnerable) geführt. Über eine neue Einstufung als stark gefährdet (endangered) wird zurzeit diskutiert.
Wir danken an dieser Stelle für das bereitstellen der Fotos:
· Robert Haitkamp – Fotocommunity Profil
· Sascha Keil – Fotocommunity Profil
· Mario Hallbauer – Fotocommunity Profil